Befindlichkeit – alles Bestens wenn nur die Fliegenplagen nicht wären
Nach wie vor geht es uns sehr gut und wir haben nicht wesentliches zu beklagen. Wir wurden nun schon ein paar Mal gefragt, ob wir es noch aushalten zusammen auf so engem Raum ständig. Interessanterweise empfinden wir die Enge gar nicht als so präsent. Natürlich gibts Momente, in denen man sich etwas im Weg ist – der eine will Zähneputzen, die andere braucht etwas aus der Wäschekiste und gleichzeitig stehen noch 3 Paar Schuhe im Weg und man kommt einfach nicht aneinander vorbei. Aber wir nehmen es also sehr gelassen und vielleicht ist unser Glück einfach auch, dass wir selten schlechtes Wetter haben, d.h. im Notfall kann einer/eine immer auch nach Draussen und da ist meistens genug Platz und eine schöne Aussicht gibts dazu auch noch. Und wenn es am Abend dann eng und kuschelig wird im Freigeist, weil die Abende nun auch hier etwas kühl werden und wir drinnen sitzen, finden wir das einfach sehr schön.
Das eine oder andere Wehwehchen taucht zwischendurch auf, so merken wir beide, dass uns die regelmässige Bewegung fehlt, die wir zu Hause beim Sport ganz selbstverständlich haben. In Kombination mit dem doch relativ vielen Fahrstunden, schmerzt dann schon mal der Rücken oder der Nacken – aber wir kümmern uns mit gegenseitigen Massagen, ein paar Yogaübungen und wo immer möglich mit Laufen, Wandern oder Tennisspielen drum. Marco ist ein paar Tage etwas ausser Gefecht, da er mit einer Magen-Darmgeschichte zu tun hat, die wir dann aber mit viel Schonkost und Ruhe in den Griff bekommen.
Was uns auch plagt, sind Fliegenattacken – wir haben so etwas noch nie erlebt und hier jetzt schon an verschiedenen Orten: sobald wir irgendwo stehen, die Sonne auf Freigeist scheint und wir die Schiebetüre öffnen, haben wir danach den Wagen voller Fliegen. Und es sind wirklich viele, wir sprechen hier nicht von zehn oder zwanzig… Mittlerweile haben wir natürlich Techniken entwickelt, die wieder rauszukriegen und wir haben grad diskutiert, dass wir das vielleicht mal filmen müssten – denn es sieht sicherlich urkomisch aus. Wir machen nämlich Durchzug, indem wir alle Türen öffnen und gleichzeitig produzieren wir beide mit einem Küchentuch auch noch Wind. So bringen wir jeweils den Grossteil der lästigen Viecher raus und den Rest müssen wir mit unserer Fliegenklatsche, die wir in Armenien gekauft haben erledigen. Aber meistens bleibt mindestens eine ganz schlaue Fliege drin und die plagt uns dann am nächsten Morgen, sobald es hell wird ganz lästig. Aber sind wir ehrlich, wenn dass unser einziges Problem ist, dann haben wir nix zu klagen oder? Also wir finden dem ist so und sind nach wie vor einfach glücklich, fühlen uns extrem privilegiert und geniessen sogar das gemeinsame Fliegenjagen.
Länderwechsel – auf der anderen Seite ist dann doch vieles anders
Nachdem wir ja doch einige Wochen in Georgien waren und so ziemlich intensiv in die Kultur, Lebensweisen, Essgewohnheiten eintauchen konnten, ein paar Brocken Georgisch gelernt hatten und uns ja zudem auch gut mit Russisch verständigen konnten, hatten wir grad ein bisschen Mühe die ersten Tage in der Türkei. Nicht weil es uns nicht gefallen hätte, aber wir haben uns unsicher gefühlt, konnten nicht mit den Leuten reden, wussten noch nicht wie es läuft etc. Und dieses Gefühl hatten wir in den letzten 5 Monaten eigentlich fast immer, wenn wir wieder ein neues Land oder eine neue Region bereist haben. Aber das sind ja grad die interessanten Momente, denn das macht das Reisen ja so spannend. Zudem haben wir auch die Türk*innen als so offen, herzlich und hilfsbereit erlebt, dass dieses unsichere Gefühl bereits nach wenigen Tagen weg war. Und dennoch kommen wir immer wieder ins Vergleichen und wir sind jedes Mal bei einem Länderwechsel doch auch wieder erstaunt, wie vieles so anders ist sobald man eine Landesgrenze übertritt.
Was in der Türkei als erstes auffällt sind die vielen und ziemlich schwer bewaffneten Militärkontrollen, die man vor allem im Osten des Landes ständig durchfährt. Das hat uns zu Beginn ziemlich irritiert, bis wir gemerkt haben, dass die Soldaten ausnahmslos sehr freundlich sind und wenn sie unseren Wagen von innen inspizieren, das wohl eher aus Neugierde tun als dass sie uns des Menschenschmuggels verdächtigen. Ebenfalls haben wir erlebt, dass uns ein Nachbar ohne mit den Wimpern zu zucken und ohne zu viele Worte zu verlieren mit seinem Pick-Up aus dem Schlamm gezogen hat – dann aber auch gleich wieder verschwindet, ohne mit uns noch zu reden. Auch das irritiert uns, denn in Georgien gehört ein Schwatz auf jeden Fall dazu, hier scheint das aber keinesfalls ein Zeichen von Unfreundlichkeit zu sein, sondern einfach Pragmatismus den wir noch öfters antreffen. Dann werden wir auch in der Türkei immer wieder auf offener Strasse angesprochen und eingeladen – nur gibt es hier keinen Chacha sondern immer Tee (Chai) oder einen Türkish-Coffee. Und wir merken schnell, dass die Türken (ja es sind dann doch meistens Männer im öffentlichen Bereich) schon ziemlich geschäftstüchtig sind, denn es passiert hier viel öfter, dass man Angebote kriegt auf der Strasse, sei es für Touren oder Produkte die verkauft werden. Aber das alles ist voll in Ordnung, denn erstens sind die Preise moderat und zweitens sind sie dann auch nicht aufdringlich und verstehen auch ein klares Nein sehr gut.
Und noch etwas zu den Strassen. Also wir können es die ersten Tage gar nicht glauben, denn nach Georgien und Armenien haben wir gedacht, es ginge ähnlich weiter. Nun treffen wir hier aber so dermassen gute Strassen an, wir vermissen schon fast etwas die holprigen Momente und vor allem die Kühe, Gänse, Hühner, Schweine auf den Strassen.
Auch wenn wir eigentlich nicht in Schubladen denken wollen und es uns bewusst ist, dass nicht alle gleich denken oder handeln, nur weil sie einer Nation angehören, so nehmen wir doch viele länderspezifische Eigenheiten wahr und diese Eindrücke verbinden wir in der Erinnerung dann doch mit den jeweiligen Ländern – wer weiss, vielleicht schaffen wir es mal noch spezifische Länderblogs zu schreiben, das wär vielleicht noch interessant.
Essen – es ist einfach immer gut und frisch, aber bitte keine Gurken und Tomaten mehr
Also was wir nach dem 5. Monat zum Essen sagen können ist erstens, dass wir fast ausnahmslos gut und günstig und auf jeden Fall immer frisch und saisongerecht gegessen haben und dass das Essen eine extrem wichtige Rolle spielt und man eigentlich immer in Gemeinschaft isst und Gäste noch so gerne und überaus herzlich dazu einlädt. Wir essen gerne und oft auswärts, kochen aber auch zwischen durch selber. Wir lieben es hier auf den Märkten, am Strassenrand oder in kleinen unscheinbaren Läden frische Früchte, Gemüse, Käse oder Pilze einzukaufen und sind dabei einfach auch sicher, dass es sich um frische Ware handelt, die jetzt gerade Saison hat. So haben wir uns durch die Erdbeer- und Heidelbeersaison gegessen, sind in Melonen fast ertrunken, haben uns die Paradiesäpfel vor die Füsse fallen lassen und Orangen, Mandarinen, Bananen und Zitronen direkt vom Baum gepflückt und gegessen – es ist einfach herrlich und geschmacklich wirklich kein Vergleich zu den importierten Produkten, die wir in der Schweiz kaufen.
Nur zwei Gemüsesorten begleiten uns nun schon länger und ehrlich gesagt haben wir etwas genug davon. Seit Monaten gibt es als Salatgemüse vorwiegend Tomaten und Gurken – mal in georgischer Weise, mal in armenischer Weise, dann mit türkischem Pfiff und nun in Form eines griechischen Salates. Das alles natürlich immer frisch und mit viel Zwiebel angerichtet- wir warten täglich darauf, dass uns die Gurken oder Tomaten aus den Ohren wachsen:-)
Nein Spass beiseite, das Essen ist echt ein Highlight (ein weiteres) unserer Reise. Wir essen beide gerne, haben wenig Berührungsängste (d.h. versuchen eigentlich alles – bis hin zum Kuhmagen) und lieben fremde Gewürze und Geschmacksnoten.
Es gibt aber auch Momente in denen wir uns ein heimisches Essen wünschen und uns das manchmal dann auch selber kochen. Wenn man dann im Videochat mit Familie und Freunden hört, dass die grad Hackbraten mit Knöpfli oder Rehschnitzel mit Nudeln essen, dann läuft uns schon das Wasser im Mund zusammen – aber wir geniessen jetzt erstmal noch die mediterrane Küche Griechenlands in den nächsten Wochen.
Wir lieben den Osten und trauern ihm jetzt schon nach
Das ist jetzt keine neue Erkenntnis, wir wussten schon lange, dass uns der Osten einfach gut gefällt, wir die Menschen mögen, die Landschaften uns umhauen, der östliche Charme uns fasziniert, die Architektur uns staunen lässt und die besondere Art des Zusammenlebens uns einfach gefällt.
Man kann wohl sagen, dass die die Menschen in vielen Ländern des Ostens weniger Geld und materielle Güter zur Verfügung haben. Und das bedeutet aus unserer Sicht, dass sie ärmer sind und wir würden vielleicht aus unserem Verständnis heraus sagen, sie leben unter dem Existenzminimum. Und in vielen Bereichen erinnert das Leben an die Zeit unserer Kindheit oder noch früher, trotzdem aber haben wir das Gefühl, dass die Menschen hier nicht weniger glücklich sind als bei uns zu Hause. Vermutlich ist ihnen das nicht unbedingt bewusst aber wir haben den Eindruck man verbringt hier mehr Zeit in Gemeinschaft, hat allgemein viel mehr Zeit resp. weniger Zeitdruck und lebt stärker im Hier und Jetzt. Dies erklärt vermutlich auch weshalb Anliegen und Probleme von Tourist*innen eine willkommene Abwechslung sind und diese mit allen Mitteln kreativ gelöst werden. Dies hat uns übrigens auch ein sehr westlich orientierter Türk-Bulgare so erklärt. Er meint, dass die Türken, immer nach kreativen Lösungen suchen und „noch“ keine Angst vor Haftungsfragen haben. Gerade letzteres löst bei uns im Westen ja immer wieder unsäglichen Diskussionen aus und hemmt so manchen kreativen Prozess.
Wir sind nun bereits seit einigen Wochen gefühlt nicht mehr im Osten – wir würden sagen, seit Antalya, was für uns mit den Touristenbunker, Golfrasen und Schönheitsfarmen ein kurzer Kulturschock war, hat sich für uns die Wahrnehmung verändert und wir schauen wehmütig über die Schulter zurück. Selbstverständlich gefällt uns die mediterrane Atmosphäre hier auch sehr gut und wir geniessen das Mittelmeer, die schönen Strände und die spezielle Stimmung, die hier ausserhalb der Saison herrscht sehr – aber unser Herz schlägt halt doch für den Osten und dahin wird es uns immer wieder ziehen.
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