Wir sind in den Karpaten angekommen, haben jedoch auch hier fast einen halben Tag gebraucht, um einen Stellplatz für Freigeist zu finden. Fazit ist: es gibt hier einfach keine Stellplätze, man muss sie sich mit viel Kreativität und manchmal auch etwas Mut suchen. Aber hier in Bukovil stehen wir die erste Nacht auf dem grossen Besucherparkplatz, auf dem so wie wir das verstehen 24 Stunden parken erlaubt ist und er ist bewacht, was uns auch gerade recht ist. Nur die Dusche am Morgen hinter dem Freigeist wird etwas abenteuerlich, weil wir nie sicher sind, ob der Sicherheitsbeamte grad um die Ecke kommt. Auch haben wir eine eher unruhige Nacht hinter uns, da der Parkplatz offenbar auch Partymeile für junge Menschen ist, die mitten in der Nacht und bis 6 Uhr morgens direkt neben uns zu ukrainischer Popmusik feiern, tanzen und singen. Die Lieder sind sehr schön und die Stimmung ausgelassen und friedlich, aber wir hätten unbedingt mal etwas mehr Schlaf gebraucht heute Nacht. Dennoch stehen wir am nächsten Morgen tapfer auf und machen uns auf zu einer Wanderung durch die Wälder der Karpaten. Die Bewegung, die frische Luft und die schönen Begegnungen mit Menschen wie diesem ukrainischen Pilzsammler tun uns gut. Der Mann ist so stolz auf seine Steinpilze, wir werden regelrecht angesteckt von seiner Euphorie. Erschöpft aber zufrieden kommen wir zum Bus zurück und entscheiden uns, heute Nacht in einem Hotel einzuchecken, um endlich mal wieder etwas ausgeruht aufzuwachen. Wir finden ein feines Zimmer und geniessen den Luxus in vollen Zügen.
Etwas ausgeruhter als auch schon gehts dann am nächsten Tag weiter. Das Endziel ist nun Odessa, Kiew lassen wir aus, so haben wir entschieden. Wir recherchieren nochmals, welche Stellplatzmöglichkeiten es unterwegs gibt und sind frohen Mutes, dass es dieses Mal klappt mit dem Plätzchen. Als wir dort ankommen, ist der Besitzer des Stellplatzes nicht anwesend und wir warten mal ein wenig ab. Es gibt weitere Gäste da, die allerdings nicht mit einem Camper da sind, sondern hier ein Zimmer gebucht haben. Sie erklären uns, dass der Besitzer Vitali in der Stadt sei und sie nicht wüssten wann er zurückkomme. Wir sehen keine Möglichkeit, hier unseren Freigeist zu parkieren und sind schon wieder etwas verzweifelt. Wir rufen Vitali an, allerdings ist die Verständigung am Telefon unmöglich und wir geben auf. Mit der Zeit wird die Nachbarsfamilie auf uns aufmerksam und die Mamuschka spricht uns in einem ukrainischen Redeschwall an. Auch wenn ukrainisch einige Ähnlichkeit mit Russisch hat und wir ja ein ganz kleines Bisschen Russisch verstehen würden, haben wir hier keine Chance. Auch die Tochter und der Sohn, die Enkelkinder und die Babuschka (Grossmutter), die nacheinander auftauchen, können kein Wort Englisch – im Angebot steht noch Polnisch, das können wir aber leider auch nicht. Mit Händen und Füssen versuchen wir uns zu verständigen und kommen irgendwie überein, dass wir bei ihnen vor dem Haus parkieren dürfen. Wir wissen nicht, ob vorübergehend (also bis Vitali kommt) oder die ganze Nacht. Auf jeden Fall sind wir ab diesem Moment nicht mehr unter uns, denn Mamuschka und Babuschka quartieren sich sozusagen bei uns im Freigeist ein. Eine sehr schöne Begegnung, allerdings mitunter auch etwas anstrengend, weil wir tatsächlich eigentlich nichts verstehen und die beiden fast ununterbrochen auf uns einreden. Die jungen Familienmitglieder sind nun verschwunden und die Kommunikation mit dem Übersetzungsapp auf dem Handy funktioniert nicht, weil – wir vermuten es zumindest – die beiden Damen wohl unsere Übersetzungen gar nicht lesen können. Aber irgendwie bringen wir den Abend durch und wir empfinden es auch als Geschenk, so nahe an den Menschen hier zu sein, sie zu erleben und halt auch mal so etwas auszuhalten. Um 22 Uhr verschwindet Mamuschka und wir schlüpfen erschöpft und mit vollem Kopf ins Bett. Aber wir haben uns zu früh gefreut – plötzlich klopft es wie wild an unserem Fenster und wir öffnen etwas erschreckt die Türe: Mamuschka steht mit einem frisch gekochten Abendessen vor der Tür – wir schon im Pyjama sind einerseits gerührt, andererseits aber so müde, dass wir es fast nicht mehr aushalten. Aber das Essen schmeckt köstlich und wir legen den Rest zur Seite als Proviant für den nächsten Tag. Mamuschka müssen wir regelrecht zum Wagen hinausschicken, es scheint als wollte sie am liebsten im schönen Freigeist übernachten. Am nächsten Morgen – wir fahren früh los – steht sie dann auch schon wieder vor unserer Tür und begrüsst uns mit einem fröhlichen: dobri dien! Nach ein paar herzlichen Umarmungen und einem weiteren ukrainischen Redeschwall fahren wir los.
Auf unserem Weg nach Odessa müssen wir Moldawien umfahren, da wir keine Lust auf einen weiteren Grenzübertritt haben. Der Weg führt uns durch sehr schöne Landschaften mit faszinierenden Weiten, wunderschönen Sonnenblumen- und Weizenfeldern und viel Wald. Wir bewundern die vielen extrem schönen Kirchen, die nostalgischen Bushäuschen, Ortseingangsmonumente, die vielen alten Ladas und Uaz und was wir sonst noch so spannendes auf der Strecke entdecken. Die Strassen sind im ersten Teil sehr schlecht und wir kommen kaum vorwärts und brauchen sehr viel Konzentration um die teilweise riesigen Schlaglöcher zu umfahren und wir sind dann doch froh, als wir so etwas wie die Autobahn erreichen, wo es etwas schneller und entspannter vorwärts geht. Fasziniert sind wir da von den vielen Anhalter*innen und Spaziergänger*innen, die die ganze Strecke entlang zu finden sind, auch gibts immer wieder Gemüse- und Fruchtstände – wir trauen uns dann irgendwie doch nicht da anzuhalten, auch wenn das die Einheimischen scheinbar ohne Skrupel einfach tun. Wir ziehen es durch und fahren tatsächlich bis nach Odessa, so haben wir hier genügend Zeit, um alles für die Fähre nach Georgien zu organisieren.
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